Es ist gut, dass Kristen Stewart die Hauptrolle in diesem Film bekommen hat, denn er zeigt nur drei Tage aus Prinzessin Dianas Leben.

Die Geschehnisse um das britische Königshaus faszinieren. Und dass Filmadaptionen daraus massentauglich sind, beweist nicht nur der grosse Erfolg der Netflix-Serie «The Crown». Eine der schillerndsten Figuren ist die von der Königsfamilie abgelehnte Prinzessin Diana, die in einem Unfall im Jahr 1997 ums Leben gekommen ist. Diana genoss international Beliebtheit und war eine Dauerpräsenz in den Medien, welche jedoch auch Skandale fabrizierten. Bei ihrem Tod hielt die Welt den Atem an. Mit «Spencer» findet erneut eine Verfilmung aus dem Leben der Kronprinzessin ihren Weg auf die Kinoleinwand – diesmal vom Regisseur Pablo Larraín, der ein Gespür für Geschichten von Gattinnen wichtiger Männer zu haben scheint: Im Jahr 2016 feierte er mit seinem Film «Jackie: Die First Lady» einen grossen Erfolg. Gespannt warteten Fans und Kritiker auf den neuen Streifen des Chilenen.

Gespielt wird die Princess of Wales von Kristen Stewart in ihrer bislang bedeutendsten Filmrolle. Die meisten kennen Sie aus der Rolle der Bella Swan in der «Twilight»-Saga. Stewarts Erfolg ist seither mässig, doch an Bekanntheit hat sie kaum verloren – dies ist allerdings keinem weiteren Film zu verdanken, dafür ihrem Coming-out als queer nach dem Aus mit ihrem «Twilight»-Kollegen Pattinson (im vergangenen Jahr verlobte sie sich mit ihrer Partnerin, einer Drehbuchautorin). Die Schauspielkünste der Amerikanerin sind umstritten und Gegenstand von Parodien und Memes. Ihr wird vorgeworfen, kalt und emotionslos zu sein. Entsprechend fragte man sich bei der Ankündigung des neuen Films: Die fade Kristen Stewart soll die charmante Princess Diana spielen? Vielleicht hätte sie den Job nicht bekommen, wenn «Spencer» mehr aus Dianas Leben gezeigt hätte – wie die Biopic «Diana» aus dem Jahr 2013. Und: Die Ähnlichkeit von Naomi Watts zu Diana ist dort immerhin vorhanden. Vielleicht wurde eben Stewart gecastet, weil der Film nur drei Tage aus Prinzessin Dianas Leben zeigt: Die Weihnachtsferien mit der königlichen Familie in deren Landsitz in Norfolk im Jahr 1991. Eine Zeit, in der es Princess Di nicht sonderlich gut ging. Es war der Wendepunkt in ihrem Leben, in dem sie beschloss, ihre Ehe mit Prinz Charles zu beenden.

Immerzu Tränen in den Augen

Was Kristen Stewart mit dieser Rolle abverlangt wird, sind mehrere Versionen der Princess Diana: Die Mutter, die Schwiegertochter, die Gattin, die Diana, die vor den Paparazzi erscheint und die Diana, wenn sie allein ist. Nur eins haben sie alle gemeinsam: immerzu Tränen in den Augen. Stewarts Performance rettet einen Film, der es allein wegen seines Stoffes nicht wert gewesen wäre, verfilm zu werden. Auch an Tempo mangelt es manchmal und auf einige Szenen hätte man getrost verzichten können – die letzte ist nur flau. Die Reise durch Princess Dianas unberechenbaren Gemütszustand, der von Auf und Abs geprägt ist, bleibt aber sonst spannend. Viel mehr als Diana bekommt man aber nicht; mit Hintergrundinformationen wird geknausert.

Interessant wird es, wenn die Zuschauerin oder der Zuschauer Realität von Einbildung nicht unterscheiden kann. Ob Diana dazumal wirklich Wahnvorstellungen hatte, werden wir wohl nie wissen. Doch das ist künstlerische Freiheit. Ob man diese Freiheiten dem Drehbuchautor Steven Knight verzeiht, kommt darauf an, ob man eine akkurate Darstellung jenes Kapitels aus Dianas Leben erwartet oder den Satz: «A fable from a true tragedy» zu Beginn des Filmes im Gedächtnis behält. Nichtsdestotrotz ist es in Ordnung, dass sich der Film einiges erlaubt. Irritierend sind lediglich Momente, die zu weit gehen. Dazu zählt die Szene, worin Diana nachts im Abendkleid Reissauss nimmt – cinematischer geht es nicht. Doch in der gleichen Szene bricht Kristen Stewart in Tränen auseinander, dass es einem das Herz zerbricht. Der Film brilliert auch mit anderen Momenten wie beispielsweise ein Flashback mit Diana im Brautkleid (Kristen Stewart sagte dazu, es hätte sich «spooky», also gruselig, angefühlt, in die Replika zu schlüpfen), Stewarts Garderobe, die einer 90er-Modeschau zu entstammen scheint (das Logo von Chanel ist schon in der Anfangsszene zu sehen) oder mehrere Erscheinungen der Anne Boleyn. Eine Zumutung hingegen ist der Soundtrack von Jonny Greenwood.

Eine ungewohnte, aber hochinteressante Adaption

Der Film wird wohl viele Diana-Fans enttäuschen, so kommt sie darin cholerisch daher und zeigt nur, wenn sie von ihren beiden Söhnen Harry und William umgeben ist, einigermassen Vernunft. Ansonsten ist sie mental ein Wrack und es fällt einem sogar schwer, Sympathie für sie, die doch für ihre Herzlichkeit von allen geliebt wurde, zu empfinden. Dies ist Kristen Stewarts Performance allein zu verdanken. Dank ihr ist «Spencer» eine ungewohnte, aber hochinteressante Adaption aus dem Leben der als Diana Frances Spencer geborenen Princess of Wales. Und sie ist ein ungeschöntes Porträt der Person, zu der das britische Königshaus sie gemacht hat.