Vor 15 Jahren veröffentlichten Fleet Foxes ihre EP «Sun Giant». Obwohl die Band seither vier Alben herausgebracht hat, ist die «Sonne» bis heute nicht untergegangen.

Über dem Kaskadengebirge kreist ein Vogel am Himmel. Die Luft ist rein, der See tiefblau. Von einer solchen Szene beginnt man zu träumen, wenn man das Lied hört und seine Augen schliesst. Die Stimmen der Band hallen wie ein Kirchenchor, Instrumente bedarf es vorerst keiner; man fühlt sich leicht und unbeschwert. Dies war auch die Absicht von Robin Pecknold, dem Frontsänger und Songwriter. Er sagte einmal, «Sun Giant» sei eine Ode an die einfachen Dinge im Leben. So heisst das erste Lied der gleichnamigen EP der amerikanischen Folk-Band Fleet Foxes – die CD wird heute 15 Jahre alt. Zum Schluss des Songs kommt doch ein Instrument zum Einsatz: die Mandoline. Das erste von vielen Instrumenten auf der Platte.

In «Drops in the River» benützt Pecknold die Metapher eines Tropfens, der in einen Fluss fällt. Zu Beginn des Liedes wirkt es wie ein einzelner Tropfen, der jedoch immer lauter und kraftvoller wird, bis er sich zu einem majestätischen Fluss aus Gesang, Instrumenten und Melodien entwickelt. Zum zehnjährigen Jubiläum der Platte teilten Fleet Foxes einen Post auf Instagram. Ein Fan kommentierte: «Will you ever produce a song better than Drops in the River?» Ob es wirklich das beste Lied der Band ist, darüber lässt sich streiten. Doch diese Reaktionen zeigen, wie unvergesslich der Song ist und wie tief er in den Herzen der Fans verankert ist.

Doch nicht immer ist alles so fröhlich bei Fleet Foxes. Sie können auch anders, wie beispielsweise in ihrem Song «Mykonos». Der Song handelt nicht wirklich von der griechischen Insel, sondern erzählt eine herzzerreissende Geschichte von einer zerbrochenen Freundschaft. Es verwundert es kaum, dass es dieser Song war, der die Band berühmt gemacht hat. Das dazugehörige Musikvideo, das von Robin Pecknolds Bruder Sean Pecknold kreiert wurde, ist sehr sehenswert.

Die EP endet mit Pecknolds melancholischem Gesang, begleitet von einer Gitarre. Kein Song auf der EP ist so nackt wie «Innocent Son». Er hinterlässt einen Nachklang und das Verlangen nach mehr. Viel zu kurz ist die EP mit ihren fünf Songs und knapp 19 Minuten.

EPs dienen oft als Vorläufer für ein Album. Von «Sun Giant» kann man das nicht behaupten: Es ist keine Vorschau auf das selbstbetitelte Album von Fleet Foxes, das im gleichen Jahr folgte. Vielmehr sind die Stücke auf «Sun Giant» sehr individuell und bilden ein in sich geschlossenes Werk, zeitlos und von Fans geliebt.

«Sun Giant» ist eine wahre Gefühlspalette. Die Lieder sind mal heiter und machen Spass, mal erzeugen sie Gänsehaut und lassen aufhorchen. Eingefleischte Fans der Fleet Foxes kann die EP heute auch nostalgisch stimmen, denn die Band aus Seattle hat sich seitdem weiterentwickelt. Und obwohl sie vier LPs veröffentlicht hat, ist die «Sonne» bis heute nicht untergegangen.

Besonders erwähnenswert ist das atemberaubende Cover der EP. Es zeigt eine riesige Menschenansammlung auf einer Düne. Und in der Ferne, sind mehrere prächtige Gebäude zu sehen. Es handelt sich um eine Fotomontage. Die dafür verwendeten Fotografien stammen alle vom russischen Fotografen Sergei Michailowitsch Prokudin-Gorski. Dieser hat eine bahnbrechende Methode zur Aufnahme von Farbbildern auf Glasplatten entwickelt. Zwischen den Jahren 1903 und 1916 hat er das Russische Reich durchkämmt, um dessen Wandel durch die Industrialisierung zu dokumentieren. Seine Fotografien gelten als ein wertvolles Zeitdokument. Sie strahlen durch ihre spezielle Farbenpracht einen unverwechselbaren Charme aus, der offenbar nicht nur den Fleet Foxes gefällt.