Eine Ausstellung im Zürcher Strauhof wirft einen Blick auf Bücher, die verboten, verbrannt oder anderweitig bekämpft wurden – oder werden.
Als der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie im Jahr 1988 seinen Roman «Die Satanischen Verse» veröffentlichte, führte die darin enthaltene Parodie auf den Propheten Mohammed zu einer Welle von Protesten und Empörung unter vielen muslimischen Gemeinschaften: Das Buch bediene antimuslimische Ressentiments, sei blasphemisch und beleidige den Koran sowie den Propheten. Es kam weltweit zu Bücherverbrennungen mit Tausenden von Demonstranten sowie einer Debatte über künstlerische Freiheit und Zensur. Das iranische Mullahregime forderte sogar die Tötung des Autors – er musste während neun Jahren unter Polizeischutz leben.
Im August 2022 holte die Geschichte Salman Rushdie wieder ein: Bei einem Vortrag im US-Bundesstaat New York wurde der 75-Jährige auf offener Bühne mit einem Messer attackiert und fast getötet. Daraufhin bekundete J.K. Rowling, die britische Autorin der Jugendbuchreihe «Harry Potter», Solidarität mit ihrem Kollegen. Auch sie wurde mit dem Leben bedroht: Seit 2019 äussert sich die 57-Jährige kontrovers zur Transgender-Debatte. Aktivist:innen und Kritiker:innen werfen ihr Transfeindlichkeit vor. Im Internet finden sich Videos, in denen ihre Bücher verbrannt werden – ähnlich wie Jahre zuvor, als ihre «Harry Potter»-Bücher wegen vermeintlich okkultistischer und satanistischer Inhalte den Flammen übergeben wurden.
Sowohl die Geschichte Rushdies als auch Rowlings sind Gegenstand der Ausstellung «Satanische Verse & verbotene Bücher» im Museum Strauhof. Diese zeigt auf, wie Werke der Weltliteratur verfemt, verbrannt oder verboten wurden – oder werden. Aktuelles Beispiel ist George Orwells Werk «1984», welches vor einem Jahr in Belarus verboten wurde.
Der Inhalt der Ausstellung reicht zurück bis ins Jahr 1559, als die römische Kirche den «Index librorum prohibitorum» lancierte, ein Verzeichnis aller Bücher, deren Lektüre sie als ketzerisch bzw. bedrohlich für ihre Machtstellung befand. Der «Index der verbotenen Bücher» wurde erst im Jahr 1966 eingestellt. Zu seinen letzten Einträgen gehört das feministische Werk «Das zweite Geschlecht» von Simone de Beauvoir.
Später versuchten auch Regierungen, die Verbreitung von Büchern zu kontrollieren, beispielsweise weil sie sie als demoralisierend oder als Bedrohung für das bestehende System wahrnahmen. Mit ausgewählten Zitaten aus betroffenen Werken, die sich freizügig oder gar nur subtil mit Themen wie Ehebruch, Suizid oder Pädophilie auseinandersetzen, bietet die in diversen Kapiteln eingeteilte Ausstellung – einschliesslich Audio-Installationen und Filmdokumentationen – Stoff für ein stundenlanges Verweilen.
Ilir Pinto
30-Jähriger aus Zürich, der die Diplomausbildung Journalismus am MAZ in Luzern mit einem Volontariat beim Zofinger Tagblatt absolviert hat. Aktuell ist er Redaktor und Content Creator bei der Zürcher Kommunikationsagentur Viva.
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