Max Hartmann, Pfarrer in der Reformierten Kirche Brittnau, tritt Ende Jahr zurück und geht in Pension. Er blickt zurück auf 35 Jahre im Amt.
Vier Brandfälle sowie zwei Überschwemmungen hat Max Hartmann in seiner Laufbahn als Pfarrer miterlebt. «Bei diesen Ereignissen haben wir Hilfe ermöglichen können.» Hartmann hat sich in den letzten 35 Jahren nicht nur für die Kirchgemeinde, sondern auch für das Dorf engagiert. «Die Kirche ist für das Dorf da», sagt er. Zu seinen Aufgaben gehörten längst nicht nur Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten, Abdankungen sowie Gottesdienste: Selbstverständlich waren auch Besuche im Spital sowie der Beistand in schwierigen Lebenssituationen. «Als Pfarrer ist man nahe bei Gott und nahe beim Menschen», sagt er. Max Hartmann habe seine Berufung mit «ausserordentlichem Engagement» ausgefüllt, geht aus dem September-Gemeindeblatt der Reformierten Kirche Brittnau hervor. Jetzt steht der 63-Jährige kurz vor dem Ende seiner Karriere. Ende Jahr tritt Hartmann zurück und geht, «um seiner Gesundheit Sorge zu tragen», frühzeitig in Pension. Zu diesem Anlass wird er am 2. Advent zusammen mit seiner Frau Eva Hartmann-Kunz in der Dorfkirche Brittnau verabschiedet. Dort, wo er als 28-Jähriger am 1. November 1987 das Pfarramt antrat.
Schon in seiner Jugend faszinierten Max Hartmann die Suche nach dem Sinn des Lebens sowie der christliche Glaube. «Es waren vor allem die Botschaft von Gottes Liebe – unabhängig von der eigenen Leistung – und die Zusage, dass es so etwas wie einen persönlichen Plan gibt, den Gott mitbestimmt.» In der Jugendarbeit der Reformierten Kirche Oftringen fand Hartmann in seiner Jugend während zwölf Jahren eine Gemeinschaft, in der er sich entfalten konnte. Kein Wunder, förderte Max Hartmann später als Pfarrer die Jugendarbeit in Brittnau stark: Fast 30 Jahre lang hatte er selbst die Konfirmandenlager geleitet, bevor er die Aufgabe übergab. Und er setzte sich dafür ein, dass eine Stelle für die Jugendarbeit geschaffen wird – sie ist gegenwärtig mit Simon Bühlerbesetzt. So entstanden das Herbst-Camp, eine Band oder gemeinsam gestaltete Jugendgottesdienste. Hartmann sagt: «In der Jugendarbeit ist es wichtig, sich für die Fragen der Jugendlichen Zeit zu nehmen und sie in ihren Begabungen zu fördern.»
Wo seine Begabung liegt, habe man ihm bereits bei seiner Konfirmation mitgeteilt: Theologie würde zu ihm passen. Diese Bemerkung überraschte Hartmann damals. «Denn ich hatte auch schon die gleiche Idee gehabt», erklärt er. Mit der Zeit festigte sich sein Entschluss – er entschied sich für den Pfarrerberuf. Es folgten ein sechsjähriges Studium evangelischer Theologie in Basel, Bern und Zürich sowie ein einjähriges Vikariat. «Während dieser Zeit wurde ich angefragt, ob ich Pfarrer in Brittnau werden wolle», erinnert sich Hartmann.
Eines der tragischsten Ereignisse in Brittnau während seiner Laufbahn war das Lawinendrama vom März 2017, als am Jochgrubenkopf bei Schmirn im Tirol eine Lawine niederging und vier Brittnauer Männerturner in den Tod riss. Damals legte der Pfarrer vier Kondolenzbücher in der Dorfkirche auf, in denen die Bevölkerung ihre Anteilnahme ausdrücken konnte. Über 1200 Personen nahmen an der Trauerfeier in der Turnhalle Abschied von den vier im Dorf sehr geschätzten Personen. «Es war eine schwierige Zeit für das ganze Dorf», erinnert sich Hartmann. Nahe gingen ihm auch der Tod eines Kindes, das überfahren wurde, Suizide sowie der Tod eines jungen Mädchens an einem Zeckenbiss – kurz vor der Konfirmation. «Wir haben uns damals entschieden, das Konfirmandenlager trotzdem durchzuführen. Die Jungen und Mädchen bekamen die Aufgabe, auszudrücken, was sie bewegte.» Das Buch erhielten später die Eltern des verstorbenen Mädchens. Hinterbliebenen einen würdigen Abschied zu ermöglichen, bildete für Max Hartmann oftmals eine Gratwanderung. Er erklärt: «Auch wenn mir die tragischen Ereignisse nahegingen, musste ich die Kraft finden, vor die Leute zu stehen und gleichzeitig genügend Distanz zu bewahren; ich konnte die Belastung nicht an den Esstisch bringen», erklärt Hartmann, der zwei Kinder hat.
Im Jahr 1995 erkrankte Max Hartmann an einer Depression, womit er von Anfang an sehr offen umging. «In der akuten Phase der Erkrankung konnte ich morgens kaum aufstehen», erinnert er sich. Dank einer Psychotherapie fand er die Ursache seiner Erkrankung in einem traumatischen Ereignis seiner Kindheit. Seine Geschichte erzählt er in einem Buch, das im letzten Jahr erschien. Es trägt den Titel «Zurück zum Leben».
In seiner Freizeit treibt Max Hartmann gerne Sport und führt einen Blog. Darin bietet er Lebenshilfe an oder zeigt seine Tätowierungen – ungewöhnlich für einen Pfarrer. Die Motive bedienen sich christlicher Themen und stehen im Zusammenhang mit der Verarbeitung seiner Depression. Ausserdem bloggt er auch über den aktuellen Krieg in der Ukraine. Hartmann erklärt: «Da ich im Jahr 2017 die Ukraine besucht und dort eine moderne Ikone gekauft habe, ist eine besondere Beziehung zu diesem Land entstanden.»
Sie war ihm eine grosse Stütze
Verheiratet ist Max Hartmann seit 33 Jahren mit Eva Hartmann-Kunz. Die beiden lebten im Pfarrhaus in Brittnau. Vor gut vier Jahren ist das Pfarrehepaar nach Zofingen gezogen. Eva Hartmann-Kunz war Max Hartmann seit Anbeginn seiner Krankheit eine grosse Stütze. In seinem Buch schreibt er: «Ich fand eine Frau, die psychisch und physisch gesund und grundsolide ist und die mich wirklich liebt. Sie wagt es, mich immer wieder ermutigend zu korrigieren und mich vor manchem, was ich mir einbrocken würde, zu bewahren.»
In den 35 Jahren in der Kirchgemeinde Brittnau hat Max Hartmann viel Veränderung miterlebt. «Es gibt heute viel mehr Konfessionslose als früher – als die meisten noch einer Kirche angehörten, weil es gesellschaftlich so üblich war», sagt Max Hartmann. Bei seinem Amtsantritt zählte die Reformierte Kirche Brittnau etwa 2200 Mitglieder, heute sind es 1600. «Allerdings stelle ich bei den heutigen Konfirmanden eine grössere Motivation fest.»
Ilir Pinto
30-Jähriger aus Zürich, der die Diplomausbildung Journalismus am MAZ in Luzern mit einem Volontariat beim Zofinger Tagblatt absolviert hat. Aktuell ist er Redaktor und Content Creator bei der Zürcher Kommunikationsagentur Viva.
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