Lange war die Pressefotografie eine Männerdomäne. Mit Sabine Wunderlin änderte sich das. Eine Ausstellung in Aarau gewährt Einblick in ein aussergewöhnliches Leben und Werk.

1953 im ländlichen Stein im Fricktal geboren, entwickelte Sabine Wunderlin früh schon ein ausgeprägtes Interesse für die landschaftlichen Veränderungen des Ortes, in dem sie aufwuchs. Inspiriert von ihrem Vater, griff sie als 15-Jährige zu seiner Bolex-Kamera, um die von ihr geliebte Umgebung festzuhalten, bevor «die Bäume, das Bächlein, der Weiher, die Wiesen und Äcker unter dem Autobahndamm begraben werden».

Zunächst war das Fotografieren für Sabine Wunderlin, wie für ihren Vater, eine Freizeitbeschäftigung. Wie ihre Eltern erlernte auch sie den Lehrerberuf. Nach einigen Jahren bewarb sie sich jedoch für die Fotoklasse an der Zürcher Kunstgewerbeschule. Ihr Portfolio dafür stellte sie aus Fotografien ihrer Verwandten und deren Leben und Arbeit auf dem Bauernhof zusammen.

Während der Studienjahre fand Sabine Wunderlin Zugang zur Zürcher Frauen- und Lesbenbewegung. «Weil nicht alle Rechte von Frauen und queeren Personen in der Praxis umgesetzt sind, engagiere ich mich mit meiner Kamera an Demos und Kundgebungen weiter für die Verwirklichung der politischen Geschlechterfragen.

Das Studium schloss sie 1984 mit ihrer Diplomarbeit «Militärschule der Frauen» ab, einer Reportage zum Frauenhilfsdienst. Die Schwarz-Weiss-Bilder zeigen authentische und teils intime Szenen aus dem Alltag von Rekrutinnen. Elegante Absatzstiefel neben robusten Kampfstiefeln – Sabine Wunderlin hat ein Talent für das Einfangen der kleinen Dinge.

Für die Diplomarbeit begleitete Sabine Wunderlin Soldatinnen während der Rekrutenschule. (Bild: Sabine Wunderlin)

Zukünftig sollte sie auch grosse Momente festhalten: Gleich im Anschluss an ihre Ausbildung bekam Wunderlin eine Stelle als Pressefotografin beim Medienunternehmen Ringier. Während ihrer 33 Jahre dort realisierte sie hauptsächlich für den Magazinteil des «Sonntags-Blicks» Reportagen. Eine umfangreiche Auswahl von Sabine Wunderlins Arbeit wird nun in einer Ausstellung im Stadtmuseum Aarau präsentiert.

Diese ist mannigfaltig: Schweizer Landwirte und Politikerinnen, Grössen der Kultur wie Friedrich Dürrenmatt oder der Politik wie Michail Gorbatschow; Tschernobyl drei Jahre nach dem Reaktorunglück, Swissair-Angestellte nach dem Grounding, der ersten Frauenstreik, die erste Street Parade in Zürich – das sind nur einige der Sujets. Die Bilder entstanden während Jahrzehnten, die von Umbrüchen geprägt waren. Nicht wenige Schlüsselmomente erlebte Wunderlin hautnah mit.

Sie bewies dabei eine Affinität für Nebenschauplätze und Randfiguren, so zum Beispiel bei ihrem ersten Auftrag: Die junge Fotografin sollte den Papstbesuch im Juni 1984 dokumentieren. Bei dessen Ankunft am Flughafen wurde sie jedoch von einer Schar Pressefotografen überrumpelt, die ihr die Sicht nahm. Dafür entstanden interessante Bilder, die Menschen dabei zeigen, wie sie gebannt auf den Papst warten.

Wunderlins wichtigstes Pressebild: 2010 üben drei Frauen die höchsten Ämter in der Schweiz aus: Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer, Bundespräsidentin Doris Leuthard und Ständeratspräsidentin Erika Forster (v. l. n. r.). (Bild: Sabine Wunderlin/Sobli)

Die Ausstellung zeigt, wie Wunderlin nur bedingt Einfluss darauf hatte, welche Schlagzeilen zu ihren Bildern gesetzt wurden. Als sie Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer, Bundespräsidentin Doris Leuthard und Ständeratspräsidentin Erika Forster 2010 im Bundeshaus fotografierte, dokumentierte sie damit einen historischen Moment: Erstmals übten drei Frauen die höchsten Ämter in der der Schweiz aus. Aber die Berichterstattung erschien im «Sonntags-Blick» nur in der Kategorie «VIPs» – mit dem despektierlichen Titel «Frauen sind der letzte Schrei».

2017 ging Sabine Wunderlin in Rente. Heute kann sie auf eine aussergewöhnliche Karriere zurückblicken. Die Ausstellung zeigt nebst bekannten auch nicht publizierte Aufnahmen und gibt persönliche Details aus dem Leben der Fotografin preis, die helfen, den Kontext rund um ihr Schaffen besser zu verstehen.