Der gebürtige Zofinger Künstler Rafael Lippuner lebt und arbeitet in Wien. Im Rahmen der Ausstellung «Auswahl 22» ist derzeit ein Werk von ihm im Aargauer Kunsthaus zu sehen.

Vom August bis September 2017 gaben die 25 Glocken des Stiftsturmes in der Zofinger Altstadt jeden Samstag atypische Melodien von sich; sie ähnelten unter anderem Handy-Klingeltönen oder Radio-Jingles. Die Aktion war Teil der Ausstellung «Neoscope» des Kunsthauses Zofingen, die unter anderem die Öffnung der Kunstwelt in den Aussenraum thematisierte. Besucherinnen und Besucher durften im Kunsthaus demokratisch Songs für das Glockenspiel wählen, die beliebtesten Melodien wurden jeweils am Wochenende gespielt. Hinter der Intervention steckte Rafael Lippuner, in Zusammenarbeit mit dem ebenfalls lokal beheimateten Dimitri Fischer.

«Wir haben uns die Frage gestellt: Wer entscheidet darüber, welche Melodien wir im öffentlichen Raum, beispielsweise beim Pendeln oder Schlendern, hören?», erklärt Lippuner. Mit der Aktion wollten die beiden Künstler hinterfragen, inwiefern wir den Klängen im öffentlichen Raum ausgeliefert sind – sowie den Folgen politischer Entscheidungen.

Rafael Lippuner ist in Zofingen geboren und hat einen Grossteil seiner Schulzeit in Oftringen verbracht. An der Hochschule Luzern hat er «Kunst und Vermittlung» studiert. Für den Master zog es Lippuner dann nach Wien. «Sie ist eine klebrige Stadt – es lässt sich gscheit leben und ich beobachte die kleinen und doch beträchtlichen Unterschiede zur Schweiz», sagt der 37-Jährige am Telefon.

«Alles Gute kommt von oben – aber nicht alles, was von oben kommt, ist gut»: Rafael Lippuner in seinem Studio in Wien. (Bild: Athanasios Gramosis)
Dinge in ein anderes Licht tauchen
Bei seiner Werkserie «Setups» handelt es sich um Installationen im öffentlichen Raum. Die Welt dient dabei als Kulisse. «Es kann sich zunächst um eine zufällige Konstellation handeln», erklärt Rafael Lippuner. Wird beispielsweise irgendwo ein Fenster geöffnet, ein Schalter umgelegt oder ein Gegenstand berührt, rollt sich andernorts automatisch eine Fahne auf oder eine Skulptur bewegt sich. Dann sollen sich die Passanten – bzw. die Betrachter, denn es geht ja um Kunst – die Frage stellen: «Hat mein Handeln dies ausgelöst, und warum?» Lippuner filmt die Reaktionen der Menschen auf seine Installationen, die Videos sind auf seiner Website zu sehen. Er ist überzeugt: «Alles hat das Potenzial, ein Zeichen zu sein.» Es liege alleine an uns zu entscheiden, ob einem Objekt oder einem Moment jene Aufmerksamkeit zuteilwird, die wir der Kunst schenken.
Die gleiche Frage kann man sich derzeit im Aargauer Kunsthaus stellen. Dort stellt Lippuner neben weiteren Aargauer Kunstschaffenden im Rahmen der Ausstellung «Auswahl 22» ein Werk aus; seine Arbeit besteht aus einer Blechtonne und weiteren gefundenen Gegenständen. Entdeckt habe er sie auf der Strasse – und sich sofort in sie verliebt. So sehr, dass er sie flach gedrückt hat. Kunstschaffende soll man bekanntlich nicht nach der Bedeutung ihrer Werke fragen. Dennoch sagt Lippuner: «Es geht darum, das Potential alltäglicher Vorgänge aufzuzeigen und deren Spannung anzuzapfen.» Mit Betonung auf Spannung: Durch ein seitliches Fusspedal lässt sich das Objekt betätigen. Plötzlich wird eine zwei Meter lange Leiste, die in der Tonne liegt, raketenartig hinausgeschleudert – im übertragenen Sinn nimmt sie dabei das Momentum des Flachpressens auf. Eine klare Handlungsanweisung sucht man jedoch vergeblich. «Die Ungewissheit, was darf oder kann, soll helfen, sich dem Werk offen zu nähern und dabei die Gedanken zu spitzen», so Lippuner.

Rafael Lippuner, «Ohne Titel (Tonne)», 2022. (Bild: ProLitteris, Zürich)

Das Geld will er in zukünftige Projekte investieren

Was hat Rafael Lippuner mit dem Förderbeitrag von 10 000 Franken vor, mit dem ihn das Aargauer Kuratorium gewürdigt hat? «Ich habe mich sehr über die Anerkennung gefreut. Das Geld wird in künftige Projekte oder Equipment investiert. Doch erstmal wird gefeiert», antwortet er.