Der Zofinger Mittelaltergruppe «Die Baskerhunde» spielt Theater und nimmt an Fecht-Meisterschaften teil. Jeden Dienstagabend trainieren die Frauen und Männer in der Turnhalle in Wiliberg. In ihrem Tun legen sie eine enorme Leidenschaft an den Tag.

Im Roman «Der Hund der Baskervilles» aus dem Jahr 1902 geht es um einen dämonischen Hund, der im Dartmoor, England, sein Unwesen treibt und der Familie der Baskervilles und Sherlock Holmes keine Ruhe lässt. Dieser Hund gab dem Zofinger Mittelalterverein seinen Namen, «Die Baskerhunde». «Wir sind eine Gruppe Nerds», sagt Stephan Wullschleger. Es kann nun mal vorkommen, dass Nerds sich für beides, das Mittelalter sowie Sherlock Holmes, interessieren. «Andere Mittelaltergruppen haben Drachen auf ihren Wappen – die gab es ja auch nicht wirklich», sagt er amüsiert.

Wullschleger präsidiert zwar nicht den Verein – das tut seine Frau –, aber er ist der «Oberbaskerhund». Im Jahr 2005 hat er mit sieben weiteren Freundinnen und Freunden die Gruppe ins Leben gerufen; sie besteht fast gänzlich aus in der Region wohnhaften Frauen und Männern. Wullschleger sagt: «Wir sind Leute, die sich mehr als nur für Geschichte interessieren: Wir wollen sie aktiv ausleben.» Das klingt nach Spielerei, täuscht aber: In der Szene besteht ein hoher Anspruch auf Authentizität.

Die Sache mit dem Teufelshund aus dem ikonischen Roman von Sir Arthur Conan Doyle ist die einzige Eigenschaft der Mittelaltergruppe, die nicht in die Epoche passt. Alles Übrige am Auftritt der Baskerhunde ist glaubwürdig: Die Kleidung, die Requisiten, ja sogar das Benehmen. «An unseren ‹Lagereien›» – das sind szeneninterne Zeltlager – «gebaren wir uns wie Menschen aus dem Mittelalter», sagt Wullschleger. Handys, Feuerzeuge oder Sonnenbrillen sind dort strengstens verboten. Es muss in altertümlicher Weise Feuer gemacht werden. Gekocht werden darf nur, was es auch im Mittelalter gab – ausser es geht aus gesundheitlichen Gründen nicht anders. Sogar die Musik muss mittelalterlich sein.

Mittelalterliche Traditionen pflegen und erleben

Die Baskerhunde musizieren nicht vor Publikum, dafür haben sie andere Talente. Den Vereinsstatuten zufolge ist ihr Zweck «die Pflege und das Erleben mittelalterlicher Traditionen». Es begann mit Rollenspielen und heute produzieren die Baskerhunde ein Theaterstück pro Jahr. Die Skripte schreiben sie selbst. Die Lektüre der Werke Goethes, Museumsbesuche sowie historische Überlieferungen in der Literatur verliehen den «Hobby-Historikern» ein breites Ideenspektrum. So ungefähr könnte die Handlung eines Theaterstücks der Baskerhunde vor sich gehen: Ein Fürst trifft auf einen Bettler und gibt ihm einen Dukaten. Die Zofinger Gruppe hat den Ruf eines professionellen Theatervereins und wird beispielsweise für Stadtfeste engagiert. Die Gagen seien aber nicht sehr hoch. «Wir als Szene sollten uns allmählich von dieser Abhängigkeit von Kulturveranstaltern loslösen – und mehr eigene Mittelalterspektakel organisieren», so Wullschleger.

Es gibt auch mittelalterliche Sportveranstaltungen wie die Highland Games, «Schlachten» oder die Historical European Martial Arts (Hema), also mittelalterliche Fechtkunst. Jeden Dienstagabend trainieren die Baskerhunde in der Turnhalle Wiliberg. Einzig aus diesem Grund haben sie sich im Jahr 2014 als Verein eintragen lassen – sonst hätten sie keinen Mietvertrag schliessen können. Von den 36 Vereinsmitgliedern sind 17 aktive Fechterinnen oder Fechter. Am ersten Dienstagabend dieses Monats hätte das Training im Freien stattfinden sollen. Da es aber zuvor geregnet hat, ist der Rasen vor dem Schulhaus in Wiliberg noch nass. Pünktlich um 19 Uhr beginnt das Aufwärmen mit einer Runde Unihockey in der Halle. Dann werden die Federn – so heissen die mittelalterlichen Trainingsschwerter aus federndem Stahl – hervorgeholt und in verschiedene Richtungen gehalten, um die Handgelenke vorzubereiten. Schliessich geht jeder Baskerhund einmal nach vorn, um eine Grundbewegung auszuführen, die die anderen nachahmen müssen.

Rot und Schwarz sind die Farben der Baskerhunde
Die Schutzausrüstung besteht aus Hals-, Tief-, Brust-, Ellenbogen-, Knie- und Schienbeinschutz. An den Hema-Meisterschaften darf das Outfit ausnahmsweise modern sein, da mittelalterliche Tracht und Rüstung das Fechten erschweren würden. Bei Hema liegt der Fokus auf der Sportart. Wenn die Baskerhunde jedoch in einem Theaterstücks fechten, ziehen sie sich noch eine Fechthose mit ihren Farben – Rot und Schwarz – an sowie eine Jacke mit dem Logo der Baskerhunde.

Die Schutzausrüstung besteht aus Hals-, Tief-, Brust-, Ellenbogen-, Knie- und Schienbeinschutz. Der Träger im Bild ist Stephan Wullschleger, der «Oberbaskerhund». (Bild: Ilir Pinto)
Als das eigentliche Training gegen 20 Uhr losgeht, teilen sich die Fechterin und die Fechter in zwei Gruppen auf: Eine fechtet weiter, die andere probt ein Theaterstück für einen Auftritt an einer Kinderveranstaltung in Bremgarten am folgenden Wochenende. «Halt!», schreit ein Baskerhund in seiner Rolle. «Im Namen der Stadt Bremgarten, händigt uns umgehend den Chnorrlimorrli wieder aus!» Nach einigen Provokationen seiner Gegenüber, bricht ein Fechtkampf aus. Da es für ein Familienpublikum gedacht ist, ist viel Komik im Dialog vorhanden. Am Ende schmeisst sich ein Baskerhund auf den Boden, sodass dieser bebt. Nach einigen wenigen Minuten ist das Scharmützel beendet.

Die Baskerhunde orientieren sich an der Renaissance
Die Baskerhunde orientieren sich, um genau zu sein, nicht am Mittelalter, sondern am Spätmittelalter. «Das allerspäteste Mittelalter, um das Jahr 1500. Das ist eigentlich schon die Renaissance», sagt Stephan Wullschleger. Einige Mittelaltergruppen stellen sich breiter auf, andere noch konkreter – zum Beispiel gibt es eine Gruppe, die jeweils akkurat die Zeit der Schlacht von Morgarten anno 1315 wiedergibt. Da sich die Baskerhunde also an der der Renaissance ausrichten, entspricht ihr Mobiliar jener Zeit. Weil sie aber auch Spielleute aus jener Zeit darstellen, haben sie einen gewissen Freiraum: Darum bedienen sie sich auch Kleidern oder Waffen aus dem früheren Mittelalter – zum historischen Vergleich oder eben als Theater-Requisite. Denn im Theater kann durchaus mal ein Wikinger auf einen Landsknecht treffen.